Celle, den 21. September 2020
Um alternative Medizin wird häufig bis vor Gericht gestritten. In einer thematischen Schwerpunktsitzung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) über mehrere Ansätze aus diesem Bereich entschieden.
Zugrunde lagen die Klagen eines Mannes (geb. 1967) aus Langenhagen, der seit langem an chronischer Erschöpfung, allergischem Asthma, Tinnitus, einer Nierenerkrankung u.a. leidet.
Neben vielen weiteren Behandlungsansätzen wollte er nun eine Therapie nach der Feldenkrais-Methode ausprobieren. Dies hatte ein Privatarzt ihm ergänzend empfohlen, nachdem ihm bereits das Schwimmen gut bekommen war. Die erwarteten Kosten über einen Zeitraum von zwei Jahren beliefen sich auf rd. 7.900 €.
Für die Krankenkasse kam eine Kostenübernahme nicht in Betracht, da eine Feldenkrais-Therapie kein anerkannter Gesundheitskurs sei. Ob ein Kurs übernommen werde, beurteile die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) anhand gesetzlicher Vorgaben. Das vorliegende Kurskonzept entspräche inhaltlich und methodisch nicht den vorgegebenen Qualitätskriterien. Dem hielt der Mann entgegen, dass er auf eine Probestunde gut angesprochen habe. Die Erschöpfungssymptome seien stark reduziert und er fühle sich energiegeladener. Außerdem sei die Wirbelsäule beweglicher und er habe nun mehr Körperspannung.
Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Voraussetzung für eine Kostenübernahme sei ein anerkannter therapeutischer Nutzen des Heilmittels. Die Feldenkrais-Lehren seien eine pädagogische Bewegungstherapie, die sich mit dem gesamten Menschen, seinen Gewohnheiten und seinem vorhandenen Potential beschäftige. Ein spezifischer therapeutischer Nutzen sei hier jedoch nicht anerkannt. Wissenschaftliche Erkenntnisse in Form von Einzelfallberichten, Assoziationsbeobachtung, Berichte von Expertenkommission oder Studien lägen dazu nicht vor. Ferner gäbe es Standardbehandlungen wie Physiotherapie für Wirbelsäulenbeschwerden. Standardmethoden verdrängten den Anspruch auf weniger erprobte Innovationen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. August 2020 – L 4 KR 482/19, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Vorinstanz: SG Hannover
UWG & Esoterik
Wettbewerbsrechtliche Beurteilung von wissenschaftlich nicht gesicherten Werbeaussagen
Montag, 21. September 2020
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen: Nur für Selbstzahler (2): Ginseng als Nahrungsergänzungsmittel
Celle, den 21. September 2020
Um alternative Medizin wird häufig bis vor Gericht gestritten. In einer thematischen Schwerpunktsitzung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) über mehrere Ansätze aus diesem Bereich entschieden.
Zugrunde lagen die Klagen eines Mannes (geb. 1967) aus Langenhagen, der seit langem an chronischer Erschöpfung, allergischem Asthma, Tinnitus, einer Nierenerkrankung u.a. leidet.
Sein behandelnder Arzt empfahl ihm eine Nahrungsergänzung mit Eleutherococcuskapseln (Taiga-/Ginsengwurzel) und Zinktabletten. Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme und die Erstattung bereits gezahlter Rechnungen.
Die Kasse lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Nahrungsergänzungsmittel generell von der Kostenübernahme ausgeschlossen seien und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nur in wenigen Ausnahmefällen übernommen werden könnten. Demgegenüber meinte der Mann, dass die Präparate wegen der Schwere der Erkrankung notwendig seien. Sein Gesundheitszustand habe sich durch die Gabe der Kapseln bereits verbessert.
Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Nahrungsergänzungsmittel seien unabhängig von der Art der Erkrankung durch die Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen und bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln müsse es sich um einen ausnahmsweise gelisteten Therapiestandard handeln. Die streitigen Präparate seien nicht vom Leistungskatalog der GKV umfasst. Die Krankenkassen seien auch nicht gehalten, alles zu leisten, was zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei. Bestimmte Produkte könnten aus dem Leistungskatalog ausgeklammert und der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen werden. Außerdem sei der individuelle Glaube an die Wirksamkeit nicht ausreichend. Nach den Herstellerinformationen zielten Ginseng und Zink allgemein auf die Stärkung des Immunsystems; für eine spezifische Heilungsaussicht des Erschöpfungssyndroms lägen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. August 2020 – L 4 KR 161/20, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Vorinstanz: SG Hannover
Um alternative Medizin wird häufig bis vor Gericht gestritten. In einer thematischen Schwerpunktsitzung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) über mehrere Ansätze aus diesem Bereich entschieden.
Zugrunde lagen die Klagen eines Mannes (geb. 1967) aus Langenhagen, der seit langem an chronischer Erschöpfung, allergischem Asthma, Tinnitus, einer Nierenerkrankung u.a. leidet.
Sein behandelnder Arzt empfahl ihm eine Nahrungsergänzung mit Eleutherococcuskapseln (Taiga-/Ginsengwurzel) und Zinktabletten. Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme und die Erstattung bereits gezahlter Rechnungen.
Die Kasse lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Nahrungsergänzungsmittel generell von der Kostenübernahme ausgeschlossen seien und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nur in wenigen Ausnahmefällen übernommen werden könnten. Demgegenüber meinte der Mann, dass die Präparate wegen der Schwere der Erkrankung notwendig seien. Sein Gesundheitszustand habe sich durch die Gabe der Kapseln bereits verbessert.
Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Nahrungsergänzungsmittel seien unabhängig von der Art der Erkrankung durch die Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen und bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln müsse es sich um einen ausnahmsweise gelisteten Therapiestandard handeln. Die streitigen Präparate seien nicht vom Leistungskatalog der GKV umfasst. Die Krankenkassen seien auch nicht gehalten, alles zu leisten, was zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei. Bestimmte Produkte könnten aus dem Leistungskatalog ausgeklammert und der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen werden. Außerdem sei der individuelle Glaube an die Wirksamkeit nicht ausreichend. Nach den Herstellerinformationen zielten Ginseng und Zink allgemein auf die Stärkung des Immunsystems; für eine spezifische Heilungsaussicht des Erschöpfungssyndroms lägen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. August 2020 – L 4 KR 161/20, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Vorinstanz: SG Hannover
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen: Nur für Selbstzahler (1): Heilpraktikerleistungen im Naturheilzentrum
Celle, den 21. September 2020
Um alternative Medizin wird häufig bis vor Gericht gestritten. In einer thematischen Schwerpunktsitzung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) über mehrere Ansätze aus diesem Bereich entschieden.
Zugrunde lagen die Klagen eines Mannes (geb. 1967) aus Langenhagen, der seit langem an chronischer Erschöpfung, allergischem Asthma, Tinnitus, einer Nierenerkrankung u.a. leidet.
Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme für die Behandlung seines Erschöpfungssyndroms in einem Naturheilzentrum. Er gab dazu an, dass seine Erkrankung besonders schwer sei. Nach seiner Ansicht gäbe es in Deutschland keine Kassenärzte, die eine passende Behandlung durchführen könnten. Demgegenüber sie die Heilpraktikerin des Naturheilzentrums auf die Behandlung von Erschöpfungssyndromen spezialisiert.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da Heilpraktiker nicht berechtigt seien, ihre Leistungen über die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abzurechnen. Eine Behandlung könne nur durch zugelassene Ärzte erfolgen.
Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Es hat sich in seiner Begründung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestützt. Hiernach umfasse der Leistungskatalog der GKV u.a. die ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Zwingende Voraussetzung der Krankenbehandlung sei die Approbation der betreffenden Behandler. Der gesetzliche Arztvorbehalt bedeute einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung. Das Erfordernis der Approbation sei auch nicht ausnahmsweise bei erfolgloser Arztsuche verzichtbar, sondern es sei eine zwingende berufliche Mindestqualifikation für den Behandlungsanspruch. Heilpraktiker seien damit von der selbständigen Leistungserbringung für GKV-Patienten ausgeschlossen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. August 2020 – L 4 KR 470/19, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Vorinstanz: SG Hannover
Um alternative Medizin wird häufig bis vor Gericht gestritten. In einer thematischen Schwerpunktsitzung hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) über mehrere Ansätze aus diesem Bereich entschieden.
Zugrunde lagen die Klagen eines Mannes (geb. 1967) aus Langenhagen, der seit langem an chronischer Erschöpfung, allergischem Asthma, Tinnitus, einer Nierenerkrankung u.a. leidet.
Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme für die Behandlung seines Erschöpfungssyndroms in einem Naturheilzentrum. Er gab dazu an, dass seine Erkrankung besonders schwer sei. Nach seiner Ansicht gäbe es in Deutschland keine Kassenärzte, die eine passende Behandlung durchführen könnten. Demgegenüber sie die Heilpraktikerin des Naturheilzentrums auf die Behandlung von Erschöpfungssyndromen spezialisiert.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da Heilpraktiker nicht berechtigt seien, ihre Leistungen über die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abzurechnen. Eine Behandlung könne nur durch zugelassene Ärzte erfolgen.
Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Es hat sich in seiner Begründung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gestützt. Hiernach umfasse der Leistungskatalog der GKV u.a. die ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Zwingende Voraussetzung der Krankenbehandlung sei die Approbation der betreffenden Behandler. Der gesetzliche Arztvorbehalt bedeute einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbständigen und eigenverantwortlichen Behandlung. Das Erfordernis der Approbation sei auch nicht ausnahmsweise bei erfolgloser Arztsuche verzichtbar, sondern es sei eine zwingende berufliche Mindestqualifikation für den Behandlungsanspruch. Heilpraktiker seien damit von der selbständigen Leistungserbringung für GKV-Patienten ausgeschlossen.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. August 2020 – L 4 KR 470/19, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Vorinstanz: SG Hannover
Mittwoch, 27. April 2016
Unzulässige Werbung für Arzneimittel durch Angaben zu einer therapeutischen Wirkung des Präparats, die nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist
Pressemitteilung des OLG Koblenz vom 20. April 2016
Die Werbung für Arzneimittel ist unzulässig, wenn und soweit der Inhalt der Werbeaussage nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Daher ist die Werbung für ein homöopathisches Arzneimittel, das gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen zugelassen ist, zu unterlassen, soweit sie eine schnelle und effektive Hilfe bei akutem Schnupfen sowie bei chronischer Sinusitis und eine regenerierende Wirkung auf die Nasenschleimhaut verspricht. Für ein homöopathisches Mittel gegen nervös bedingte Unruhezustände und Schlafstörungen darf nicht mit dem Hinweis geworben werden, das Präparat fördere Gelassenheit, es helfe, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegenzutreten, es fördere die Selbstheilungskräfte und stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her. Das hat das Oberlandesgericht entschieden (Urteil vom 27.1.2016, Az. 9 U 895/15).
Der Hersteller eines homöopathischen Arzneimittels, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Präparat gegen „Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen“ zugelassen worden war, bewarb das Produkt im November 2014 in einer Zeitschrift unter anderem damit, dass es „schnell und effektiv“ sowohl bei akutem Schnupfen als auch bei chronischer Sinusitis hilft und „abschwellend, entzündungshemmend und regenerierend auf die Nasenschleimhaut“ wirkt. Festsitzender Schleim, so die Werbeanzeige, werde gelöst und Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit, Kopfdruck, Nies- und Juckreiz würden gelindert. Ein anderes homöopathisches Arzneimittel, das als Präparat gegen „nervös bedingte Störungen wie Schlafstörungen und Unruhezustände“ zugelassen worden war, war vom Hersteller in der Zeitschrift unter anderem mit dem Hinweis beworben worden, das Präparat fördere „Gelassenheit und Ruhe“; es helfe überdies, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegen zu treten, fördere die Selbstheilungskräfte, stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her und biete eine effektive Unterstützung bei Unruhe , Nervosität und/oder Schlafstörungen.
Die auf Unterlassung dieser Werbeangaben gerichtete Klage hatte das Landgericht Bad Kreuznach abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Pharmaunternehmen werbe für die Arzneimittel nicht mit einer Wirkung, die außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete liege. Auf die Berufung des Klägers hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Urteil jedoch teilweise abgeändert und die Werbung für beide Produkte mit den vom Kläger beanstandeten Angaben weitgehend untersagt. Nach Auffassung der Richter ist die Werbung teils irreführend, weil die behauptete therapeutische Wirkung der Präparate vom zugelassenen Anwendungsgebiet nicht umfasst und auch nicht durch eine wissenschaftliche Abhandlung zweifelsfrei nachgewiesen sind.
Der Hinweis in der Werbung, das Präparat gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen helfe „schnell und effektiv“ bei akutem Schnupfen sowie chronischer Sinusitis und wirke „regenerierend auf die Nasenschleimhaut“, ist nach Auffassung des Senats als irreführend und damit unzulässig anzusehen, weil aus der Zulassung des Medikamentes durch das Bundesamt für Arzneimittel die behauptete schnelle Wirkung des Präparats nicht hergeleitet werden kann; außerdem ist eine „regenerierende Wirkung des Produkts auf die Nasenschleimhaut“ vom Anwendungsgebiet der Zulassung nicht umfasst. Solche Wirkungsweisen hatte der Arzneimittelhersteller auch nicht durch Vorlage einer wissenschaftlichen Abhandlung zweifelsfrei belegen können. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte genommen, kann allerdings grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die sich auf das zugelassene Anwendungsgebiet beziehenden Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Zulassung entsprechen, sodass vom Hersteller des Produkts hiermit auch geworben werden kann. Deshalb war es nach Auffassung des Senats auch nicht zu beanstanden, dass das Pharmaunternehmen für das Präparat gegen Sinusitis damit geworben hatte, es helfe bei akutem Schnupfen, wirke abschwellend und lindere Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit, Nies- und Juckreiz und/oder Kopfdruck.
Für das homöopathische Arzneimittel, das als Medikament gegen „nervöse Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe sowie Verstimmungszustände“ zugelassen ist, darf nach Auffassung des Senats nicht mit den Angaben geworben werden, das Präparat fördere Gelassenheit, es helfe, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegenzutreten, es fördere die Selbstheilungskräfte und stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her. Denn auch diese Werbeaussagen sind weder vom zugelassenen Anwendungsgebiet des Medikaments umfasst, noch hat der Arzneimittelhersteller eine entsprechende Wirksamkeit des Arzneimittels anderweitig zweifelsfrei belegen können.
Die Werbung für Arzneimittel ist unzulässig, wenn und soweit der Inhalt der Werbeaussage nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Daher ist die Werbung für ein homöopathisches Arzneimittel, das gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen zugelassen ist, zu unterlassen, soweit sie eine schnelle und effektive Hilfe bei akutem Schnupfen sowie bei chronischer Sinusitis und eine regenerierende Wirkung auf die Nasenschleimhaut verspricht. Für ein homöopathisches Mittel gegen nervös bedingte Unruhezustände und Schlafstörungen darf nicht mit dem Hinweis geworben werden, das Präparat fördere Gelassenheit, es helfe, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegenzutreten, es fördere die Selbstheilungskräfte und stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her. Das hat das Oberlandesgericht entschieden (Urteil vom 27.1.2016, Az. 9 U 895/15).
Der Hersteller eines homöopathischen Arzneimittels, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Präparat gegen „Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen“ zugelassen worden war, bewarb das Produkt im November 2014 in einer Zeitschrift unter anderem damit, dass es „schnell und effektiv“ sowohl bei akutem Schnupfen als auch bei chronischer Sinusitis hilft und „abschwellend, entzündungshemmend und regenerierend auf die Nasenschleimhaut“ wirkt. Festsitzender Schleim, so die Werbeanzeige, werde gelöst und Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit, Kopfdruck, Nies- und Juckreiz würden gelindert. Ein anderes homöopathisches Arzneimittel, das als Präparat gegen „nervös bedingte Störungen wie Schlafstörungen und Unruhezustände“ zugelassen worden war, war vom Hersteller in der Zeitschrift unter anderem mit dem Hinweis beworben worden, das Präparat fördere „Gelassenheit und Ruhe“; es helfe überdies, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegen zu treten, fördere die Selbstheilungskräfte, stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her und biete eine effektive Unterstützung bei Unruhe , Nervosität und/oder Schlafstörungen.
Die auf Unterlassung dieser Werbeangaben gerichtete Klage hatte das Landgericht Bad Kreuznach abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Pharmaunternehmen werbe für die Arzneimittel nicht mit einer Wirkung, die außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete liege. Auf die Berufung des Klägers hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts das Urteil jedoch teilweise abgeändert und die Werbung für beide Produkte mit den vom Kläger beanstandeten Angaben weitgehend untersagt. Nach Auffassung der Richter ist die Werbung teils irreführend, weil die behauptete therapeutische Wirkung der Präparate vom zugelassenen Anwendungsgebiet nicht umfasst und auch nicht durch eine wissenschaftliche Abhandlung zweifelsfrei nachgewiesen sind.
Der Hinweis in der Werbung, das Präparat gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen helfe „schnell und effektiv“ bei akutem Schnupfen sowie chronischer Sinusitis und wirke „regenerierend auf die Nasenschleimhaut“, ist nach Auffassung des Senats als irreführend und damit unzulässig anzusehen, weil aus der Zulassung des Medikamentes durch das Bundesamt für Arzneimittel die behauptete schnelle Wirkung des Präparats nicht hergeleitet werden kann; außerdem ist eine „regenerierende Wirkung des Produkts auf die Nasenschleimhaut“ vom Anwendungsgebiet der Zulassung nicht umfasst. Solche Wirkungsweisen hatte der Arzneimittelhersteller auch nicht durch Vorlage einer wissenschaftlichen Abhandlung zweifelsfrei belegen können. Hat ein Präparat die Hürde der Zulassung durch das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte genommen, kann allerdings grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die sich auf das zugelassene Anwendungsgebiet beziehenden Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Zulassung entsprechen, sodass vom Hersteller des Produkts hiermit auch geworben werden kann. Deshalb war es nach Auffassung des Senats auch nicht zu beanstanden, dass das Pharmaunternehmen für das Präparat gegen Sinusitis damit geworben hatte, es helfe bei akutem Schnupfen, wirke abschwellend und lindere Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit, Nies- und Juckreiz und/oder Kopfdruck.
Für das homöopathische Arzneimittel, das als Medikament gegen „nervöse Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe sowie Verstimmungszustände“ zugelassen ist, darf nach Auffassung des Senats nicht mit den Angaben geworben werden, das Präparat fördere Gelassenheit, es helfe, den alltäglichen Herausforderungen wieder gestärkt entgegenzutreten, es fördere die Selbstheilungskräfte und stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her. Denn auch diese Werbeaussagen sind weder vom zugelassenen Anwendungsgebiet des Medikaments umfasst, noch hat der Arzneimittelhersteller eine entsprechende Wirksamkeit des Arzneimittels anderweitig zweifelsfrei belegen können.
Montag, 4. März 2013
Oberlandesgericht Hamm: Unzulässige Werbung für Schüßler-Salze als "sanfte Begleiter in der Schwangerschaft"
Das OLG Hamm hat entschieden, dass die in der Deutschen Hebammenzeitschrift in Bezug auf zwei homöopathische Arzneimittel veröffentlichte Werbeaussage "Schüßler-Salze … Sanfte Begleiter in der Schwangerschaft" irreführend ist.
Das LG Dortmund hatte per einstweiliger Verfügung diese Werbeaussage untersagt.
Das beklagte Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück vertreibt Schüßler-Salze u.a. als homöopathische Arzneimittel, die als solche registriert, aber nicht mit Anwendungsgebieten zugelassen sind. Sie hatte in der Deutschen Hebammenzeitschrift mit der Aussage "Schüßler-Salze … Sanfte Begleiter in der Schwangerschaft" für zwei ihrer homöopathischen Arzneimittel geworben, worin der klagende Verband eine irreführende Werbung sah und von der Beklagten ein Unterlassen der Werbeaussage verlangt hat.
Das LG Dortmund hatte per einstweiliger Verfügung diese Werbeaussage untersagt.
Das OLG Hamm hat den Unterlassungsanspruch bestätigt.
Die zu beanstandende Werbeaussage beinhalte auch aus Sicht der angesprochenen fachkundigen Hebammen ein falsches Wirkungsversprechen i.S.v. § 3 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz. Beworben würden registrierte homöopathische Arzneimittel, bei denen das eigentliche Anwendungsgebiet wie z.B. der Bereich einer Krankheit, in dem das Arzneimittel wirken solle, nicht genannt werden dürfe, um eine Irreführung zu vermeiden. Für diese Mittel dürfe dann erst recht nicht mit einem umfassenderen Einsatzbereich – einen solchen stelle die Schwangerschaft dar – geworben werden. In Bezug auf die Schwangerschaft werde mit der Werbeaussage der Eindruck erweckt, dass die genannten Mittel schonend und dauerhaft positiven Einfluss speziell für die Schwangeren entfalten könnten, die Krankheiten oder Beschwerden aus dem Anwendungsbereich der in Frage stehenden Mittel aufwiesen. Der Eindruck sei falsch, weil die Wirkung der beworbenen Arzneimittel nicht wissenschaftlich gesichert sei. Es bestehe die Gefahr, dass Hebammen den Schwangeren im Vertrauen auf die Werbeangabe zur Einnahme des beworbenen homöopathischen Arzneimittels rieten. Das halte die Schwangere möglicherweise von der Befragung ihres Arztes oder von der Einnahme angeblich mehr belastender, aber besser helfender Präparate ab.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Mittwoch, 28. November 2012
Heilung durch Schamanen: Oberlandesgericht Köln weist Klage auf Rückerstattung der Kosten ab
Pressemitteilung des OLG Köln
Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat in einem Urteil vom 21.11.2012 die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen (Az. OLG Köln 16 U 80/12). Damit wurde eine Klage abgewiesen, mit der eine unheilbar an Krebs erkrankte Patientin Rückerstattungsansprüche und Schmerzensgeld hinsichtlich einer von ihr in Anspruch genommenen Behandlung durch einen Schamanen geltend machte.
Die Klägerin leidet an einer nach den Methoden der Schulmedizin nicht heilbaren Krebserkrankung. Sie wandte sich deshalb an die Beklagte, die auf einer Internetseite gemeinsam mit ihrem Ehemann für Reisen in ein Camp im peruanischen Regenwald warben, in welchem sich der Ehemann der Beklagten und sein Vater als Schamanen betätigten.
Die Klägerin führte Gespräche mit der Beklagten und entschied sich schließlich, eine schamanische Heilbehandlung mit Pflanzen und Säften durch den Schwiegervater der Beklagten vornehmen zu lassen. Die Klägerin meldete sich und ihren Ehemann, der sie begleitete, zu einer 5-wöchigen Perureise zum Preis von 4.420,- Euro pro Person an.
Zusätzlich wandte sie 4.028,- Euro für die Flüge nach Lima auf. Die Klägerin reiste in das Camp, brach die Reise jedoch im Hinblick auf die Verhältnisse vor Ort frühzeitig ab. Der erhoffte Behandlungserfolg blieb aus.
Das Oberlandesgericht Köln hat - ebenso wie bereits das Landgericht Köln - die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ausführlich über die im Vorfeld der Reise zwischen der Klägerin und der Beklagten geführten Gespräche sowie über die Zustände in Peru Beweis erhoben.
Als Ergebnis der Beweisaufnahme ließ sich nicht feststellen, dass die Klägerin mit der Beklagten einen Reisevertrag abgeschlossen hat. Die Beklagte habe zwar an den Gesprächen mit der Klägerin teilgenommen und auch Informationen über die Reise sowie die Behandlung weitergegeben, allerdings sei sie nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden.
Aus diesem Grunde könnten keine Ansprüche aus einer Schlechterfüllung des Reise- bzw. Behandlungsvertrages gerade gegen die Beklagte gerichtet werden. Das Oberlandesgericht hat als Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht feststellen können, dass die Beklagte im Rahmen der Gespräche ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, für das sie nunmehr einstehen müsste.
Das Oberlandesgericht Köln hat darüber hinaus auch keine andere Grundlage für eine Haftung der Beklagten annehmen können. Insbesondere hat es eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Zustände vor Ort in Peru und Umstände der Behandlung abgelehnt. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht über diese Zustände getäuscht.
Das Oberlandesgericht hat in seinen Entscheidungsgründen u.a. zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin Aussagen der Beklagten über die Heilungschancen nicht als verbindliche Zusicherung verstehen durfte. Der Klägerin und ihrem Ehemann sei bewusst gewesen, dass sie den Boden der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse verließen und daher sichere Heilungsversprechen nicht möglich waren.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, so dass das Urteil nicht mehr anfechtbar ist.
Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat in einem Urteil vom 21.11.2012 die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des Landgerichts Köln zurückgewiesen (Az. OLG Köln 16 U 80/12). Damit wurde eine Klage abgewiesen, mit der eine unheilbar an Krebs erkrankte Patientin Rückerstattungsansprüche und Schmerzensgeld hinsichtlich einer von ihr in Anspruch genommenen Behandlung durch einen Schamanen geltend machte.
Die Klägerin leidet an einer nach den Methoden der Schulmedizin nicht heilbaren Krebserkrankung. Sie wandte sich deshalb an die Beklagte, die auf einer Internetseite gemeinsam mit ihrem Ehemann für Reisen in ein Camp im peruanischen Regenwald warben, in welchem sich der Ehemann der Beklagten und sein Vater als Schamanen betätigten.
Die Klägerin führte Gespräche mit der Beklagten und entschied sich schließlich, eine schamanische Heilbehandlung mit Pflanzen und Säften durch den Schwiegervater der Beklagten vornehmen zu lassen. Die Klägerin meldete sich und ihren Ehemann, der sie begleitete, zu einer 5-wöchigen Perureise zum Preis von 4.420,- Euro pro Person an.
Zusätzlich wandte sie 4.028,- Euro für die Flüge nach Lima auf. Die Klägerin reiste in das Camp, brach die Reise jedoch im Hinblick auf die Verhältnisse vor Ort frühzeitig ab. Der erhoffte Behandlungserfolg blieb aus.
Das Oberlandesgericht Köln hat - ebenso wie bereits das Landgericht Köln - die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ausführlich über die im Vorfeld der Reise zwischen der Klägerin und der Beklagten geführten Gespräche sowie über die Zustände in Peru Beweis erhoben.
Als Ergebnis der Beweisaufnahme ließ sich nicht feststellen, dass die Klägerin mit der Beklagten einen Reisevertrag abgeschlossen hat. Die Beklagte habe zwar an den Gesprächen mit der Klägerin teilgenommen und auch Informationen über die Reise sowie die Behandlung weitergegeben, allerdings sei sie nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden.
Aus diesem Grunde könnten keine Ansprüche aus einer Schlechterfüllung des Reise- bzw. Behandlungsvertrages gerade gegen die Beklagte gerichtet werden. Das Oberlandesgericht hat als Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht feststellen können, dass die Beklagte im Rahmen der Gespräche ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, für das sie nunmehr einstehen müsste.
Das Oberlandesgericht Köln hat darüber hinaus auch keine andere Grundlage für eine Haftung der Beklagten annehmen können. Insbesondere hat es eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Zustände vor Ort in Peru und Umstände der Behandlung abgelehnt. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht über diese Zustände getäuscht.
Das Oberlandesgericht hat in seinen Entscheidungsgründen u.a. zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin Aussagen der Beklagten über die Heilungschancen nicht als verbindliche Zusicherung verstehen durfte. Der Klägerin und ihrem Ehemann sei bewusst gewesen, dass sie den Boden der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse verließen und daher sichere Heilungsversprechen nicht möglich waren.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, so dass das Urteil nicht mehr anfechtbar ist.
Mittwoch, 3. Oktober 2012
OLG Karlsruhe: Irreführende Werbung für Silikonpads, die unter anderem zum Schutz vor Elektrosmog dienen sollen
Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Kontrolle der Einhaltung der Regelungen des lauteren Wettbewerbs gehört. Die Beklagte vertreibt esoterische Gesundheitsprodukte, darunter Silikonpads, die zur Abwehr von Elektrosmog und zur Verbesserung von Speisen und Getränken dienen sollen. Die Wirkungsweise basiere auf subtilen Energien informierter Mineralien („Bionen-Energie“). Die flachen ovalen Pads gegen Elektrosmog (2 x 2,5 cm) sollen dazu auf den Körper aufgelegt oder in die Hosentasche gesteckt werden, die flachen runden Pads zur Verbesserung von Speisen und Getränken (d = 9 oder 21cm) unter Gläser oder Teller gelegt werden.
Die Klägerin hat im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Konstanz beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für die kleinen Pads damit zu werben, dass sie für ein Mehr an Vitalität stünden und auszuführen, dass im Zusammenhang mit einer steigenden Belastung des menschlichen Körpers durch Strahlen X-pad ein kleines Pad sei, das zum Schutz vor dieser Strahlung dienen solle. Hinsichtlich der größeren Pads sollte die Werbung untersagt werden, diese könnten ein Beitrag zur Verbesserung der Qualität von Speisen und Getränken leisten, sie seien dazu bestimmt, den ph-Wert positiv zu beeinflussen, der Anzahl freier Radikale entgegen zu wirken, Wasser optimal auszurichten und linksdrehende Milchsäuren im Wandel zu rechtsdrehenden Milchsäuren zu beeinflussen.
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Außensenat in Freiburg - der Beklagten diese Werbung untersagt.
Der Senat hat ausgeführt, dass die Werbung irreführend sei, sie enthalte zur Täuschung geeignete Angaben über die Wirkung der X-pads. Der verständige und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher gewinne durch diese Werbung den Eindruck, allein durch körpernahes Tragen der Pads könnten die angepriesenen positiven Wirkungen bereits erreicht werden.
Die Werbeaussagen genügten nicht den strengen Anforderungen, die an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbung zu stellen seien. Die Werbung bewege sich im empfindlichen Bereich des Heilwesens, der im Interesse der öffentlichen Gesundheit eine besondere Reglementierung von Werbung erfordere. Wer gesundheitsbezogene Wirkungsaussagen treffe, müsse auf substantiierten Angriff seines Wettbewerbers die Richtigkeit seiner Behauptung darlegen und beweisen. Soweit der Werbende nicht dartun könne, dass sein Wirkversprechen wissenschaftlich abgesichert sei, habe er die behauptete Wirkung im einstweiligen Verfügungsverfahren zumindest glaubhaft zu machen. Eine wissenschaftliche, schulmedizinische Absicherung ihres Ansatzes behauptet die Beklagte aber selbst nicht.
Die Irreführung werde auch nicht dadurch beseitigt, dass die Werbeaussagen durch Formulierungen wie „soll“, „dazu bestimmt“, „kann“ relativiert würden. Auch die von der Beklagten vorgenommenen Hinweise am Ende des jeweiligen Werbetextes, auf die mit dem Zeichen * verwiesen werde, reichten nicht aus, eine Irreführung zu verhindern oder zu beseitigen. Der Hinweis am Ende des Textes, der Ansatz sei dem Bereich Alternativmedizin zuzuordnen und sei in der klassischen Schulmedizin bisher wissenschaftlich nicht anerkannt und gelte nicht als bewiesen, sei zu wenig konkret und für den umworbenen Adressaten nicht ausreichend nachvollziehbar. Ihm stehe auch die sehr ausführliche Werbung der Beklagten sowie ihr Hinweis auf die hinter den Produkten stehende Wissenschaft gegenüber. Zudem suggeriere die beachtliche Preisgestaltung der Beklagten für die Pads (kleines Pad 98,- Euro, großes Pad 9 cm 98,- Euro, 21 cm 198,- Euro) eine entsprechende Werthaltigkeit und damit auch die Wirkung des Produkts.
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27.09.2012 - 4 U 163/12 -
§ 5 UWG:
„Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, ... Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, ... von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse...“
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Kontrolle der Einhaltung der Regelungen des lauteren Wettbewerbs gehört. Die Beklagte vertreibt esoterische Gesundheitsprodukte, darunter Silikonpads, die zur Abwehr von Elektrosmog und zur Verbesserung von Speisen und Getränken dienen sollen. Die Wirkungsweise basiere auf subtilen Energien informierter Mineralien („Bionen-Energie“). Die flachen ovalen Pads gegen Elektrosmog (2 x 2,5 cm) sollen dazu auf den Körper aufgelegt oder in die Hosentasche gesteckt werden, die flachen runden Pads zur Verbesserung von Speisen und Getränken (d = 9 oder 21cm) unter Gläser oder Teller gelegt werden.
Die Klägerin hat im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Konstanz beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für die kleinen Pads damit zu werben, dass sie für ein Mehr an Vitalität stünden und auszuführen, dass im Zusammenhang mit einer steigenden Belastung des menschlichen Körpers durch Strahlen X-pad ein kleines Pad sei, das zum Schutz vor dieser Strahlung dienen solle. Hinsichtlich der größeren Pads sollte die Werbung untersagt werden, diese könnten ein Beitrag zur Verbesserung der Qualität von Speisen und Getränken leisten, sie seien dazu bestimmt, den ph-Wert positiv zu beeinflussen, der Anzahl freier Radikale entgegen zu wirken, Wasser optimal auszurichten und linksdrehende Milchsäuren im Wandel zu rechtsdrehenden Milchsäuren zu beeinflussen.
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Außensenat in Freiburg - der Beklagten diese Werbung untersagt.
Der Senat hat ausgeführt, dass die Werbung irreführend sei, sie enthalte zur Täuschung geeignete Angaben über die Wirkung der X-pads. Der verständige und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher gewinne durch diese Werbung den Eindruck, allein durch körpernahes Tragen der Pads könnten die angepriesenen positiven Wirkungen bereits erreicht werden.
Die Werbeaussagen genügten nicht den strengen Anforderungen, die an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbung zu stellen seien. Die Werbung bewege sich im empfindlichen Bereich des Heilwesens, der im Interesse der öffentlichen Gesundheit eine besondere Reglementierung von Werbung erfordere. Wer gesundheitsbezogene Wirkungsaussagen treffe, müsse auf substantiierten Angriff seines Wettbewerbers die Richtigkeit seiner Behauptung darlegen und beweisen. Soweit der Werbende nicht dartun könne, dass sein Wirkversprechen wissenschaftlich abgesichert sei, habe er die behauptete Wirkung im einstweiligen Verfügungsverfahren zumindest glaubhaft zu machen. Eine wissenschaftliche, schulmedizinische Absicherung ihres Ansatzes behauptet die Beklagte aber selbst nicht.
Die Irreführung werde auch nicht dadurch beseitigt, dass die Werbeaussagen durch Formulierungen wie „soll“, „dazu bestimmt“, „kann“ relativiert würden. Auch die von der Beklagten vorgenommenen Hinweise am Ende des jeweiligen Werbetextes, auf die mit dem Zeichen * verwiesen werde, reichten nicht aus, eine Irreführung zu verhindern oder zu beseitigen. Der Hinweis am Ende des Textes, der Ansatz sei dem Bereich Alternativmedizin zuzuordnen und sei in der klassischen Schulmedizin bisher wissenschaftlich nicht anerkannt und gelte nicht als bewiesen, sei zu wenig konkret und für den umworbenen Adressaten nicht ausreichend nachvollziehbar. Ihm stehe auch die sehr ausführliche Werbung der Beklagten sowie ihr Hinweis auf die hinter den Produkten stehende Wissenschaft gegenüber. Zudem suggeriere die beachtliche Preisgestaltung der Beklagten für die Pads (kleines Pad 98,- Euro, großes Pad 9 cm 98,- Euro, 21 cm 198,- Euro) eine entsprechende Werthaltigkeit und damit auch die Wirkung des Produkts.
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27.09.2012 - 4 U 163/12 -
§ 5 UWG:
„Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, ... Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, ... von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse...“
Dienstag, 18. September 2012
BGH: placebo-kontrollierte Studien für Wirksamkeitsnachweis
BGH, Urteil vom 15.03.2012, Az. I ZR 44/11 - "ARTROSTAR COMPACT"
Für den gemäß § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV zu führenden Nachweis der Wirksamkeit eines als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) beworbenen und vertriebenen Mittels bedarf es insbesondere auf dem Gebiet der Schmerzlinderung in Fällen, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnachweis allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, placebo-kontrollierter Studien.
Für den gemäß § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV zu führenden Nachweis der Wirksamkeit eines als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) beworbenen und vertriebenen Mittels bedarf es insbesondere auf dem Gebiet der Schmerzlinderung in Fällen, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnachweis allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, placebo-kontrollierter Studien.
Donnerstag, 19. April 2012
BGH: Werbeverbot bei homoöpathischen Arzneimitteln
BGH, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 96/10
UWG § 4 Nr. 11, HWG § 5
Leitsätze:
a) Eine Werbung für ein registriertes homöopathisches Arzneimittel, in der die Wirkstoffe des Arzneimittels und deren jeweilige Anwendungsgebiete genannt sind, fällt auch dann unter das Verbot der Werbung mit Anwendungsgebieten nach § 5 HWG, wenn in der Werbung die Pflichtangabe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9, § 11 Abs. 3 Satz 1 AMG ("Anwendungsgebiete: Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation.") aufgeführt ist.
b) § 5 HWG ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn die konkrete Werbeaussage zu einer unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Gesundheitsgefährdung der Verbraucher führt.
UWG § 4 Nr. 11, HWG § 5
Leitsätze:
a) Eine Werbung für ein registriertes homöopathisches Arzneimittel, in der die Wirkstoffe des Arzneimittels und deren jeweilige Anwendungsgebiete genannt sind, fällt auch dann unter das Verbot der Werbung mit Anwendungsgebieten nach § 5 HWG, wenn in der Werbung die Pflichtangabe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 9, § 11 Abs. 3 Satz 1 AMG ("Anwendungsgebiete: Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation.") aufgeführt ist.
b) § 5 HWG ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn die konkrete Werbeaussage zu einer unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Gesundheitsgefährdung der Verbraucher führt.
Donnerstag, 13. Januar 2011
Bundesgerichtshof zum Anspruch auf Vergütung für Kartenlegen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Vergütung für eine Leistung, die unter Einsatz übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten erbracht werden soll (hier: Lebensberatung in Verbindung mit Kartenlegen), besteht.
Dem Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist als Selbständige mit Gewerbeanmeldung tätig und bietet Lebensberatung ("life coaching"), wobei sie ihre Ratschläge anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse erteilt. In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise stieß der Beklagte im September 2007 auf die Klägerin. In der Folgezeit legte sie ihm am Telefon in vielen Fällen zu verschiedenen - privaten und beruflichen - Lebensfragen die Karten und gab Ratschläge. Hierfür zahlte der Beklagte im Jahr 2008 mehr als 35.000 €. Für im Januar 2009 erbrachte Leistungen verlangt die Klägerin mit ihrer Klage 6.723,50 €. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Landgericht und Oberlandesgericht haben den geltend gemachten Vergütungsanspruch mit der Begründung verneint, dass die von der Klägerin versprochene Leistung auf den Gebrauch übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten gerichtet und damit objektiv unmöglich sei, so dass der Anspruch die Gegenleistung (Entgelt) gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB*, § 275 Abs. 1 BGB** entfalle.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zunächst die Annahme der Vorinstanzen gebilligt, dass die von der Klägerin versprochene Leistung objektiv unmöglich ist. Eine Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann. So liegt es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, "magischer" oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten.
Allerdings folgt aus der objektiven Unmöglichkeit der versprochenen Leistung nicht zwingend, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB* entfällt. Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich - gegen Entgelt - dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen. "Erkauft" sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen. Nach den Umständen des Falles liegt die Annahme nicht fern, dass die Klägerin nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die "Tauglichkeit" der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar ist.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um zu klären, ob ein solcher Willen der Parteien bestand, aber auch, um die bislang offen gelassene Frage zu beantworten, ob die Vereinbarung der Parteien nach § 138 BGB*** wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handelt. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gestellt werden.
Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 9. Oktober 2009 – 19 O 101/09
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 8. April 2010 – 7 U 191/09
Karlsruhe, den 13. Januar 2011
* § 326 Abs. 1 Satz 1 (Halbsatz 1) BGB:
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; (…).
** § 275 Abs. 1 BGB:
Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
*** § 138 BGB:
Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für die Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Dem Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist als Selbständige mit Gewerbeanmeldung tätig und bietet Lebensberatung ("life coaching"), wobei sie ihre Ratschläge anhand der durch Kartenlegen gewonnenen Erkenntnisse erteilt. In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise stieß der Beklagte im September 2007 auf die Klägerin. In der Folgezeit legte sie ihm am Telefon in vielen Fällen zu verschiedenen - privaten und beruflichen - Lebensfragen die Karten und gab Ratschläge. Hierfür zahlte der Beklagte im Jahr 2008 mehr als 35.000 €. Für im Januar 2009 erbrachte Leistungen verlangt die Klägerin mit ihrer Klage 6.723,50 €. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Landgericht und Oberlandesgericht haben den geltend gemachten Vergütungsanspruch mit der Begründung verneint, dass die von der Klägerin versprochene Leistung auf den Gebrauch übernatürlicher, magischer Kräfte und Fähigkeiten gerichtet und damit objektiv unmöglich sei, so dass der Anspruch die Gegenleistung (Entgelt) gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB*, § 275 Abs. 1 BGB** entfalle.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zunächst die Annahme der Vorinstanzen gebilligt, dass die von der Klägerin versprochene Leistung objektiv unmöglich ist. Eine Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann. So liegt es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, "magischer" oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten.
Allerdings folgt aus der objektiven Unmöglichkeit der versprochenen Leistung nicht zwingend, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB* entfällt. Die Vertragsparteien können im Rahmen der Vertragsfreiheit und in Anerkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Seite sich - gegen Entgelt - dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundlagen und Wirkungen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahingehenden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Haltung entsprechen. "Erkauft" sich jemand derartige Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs rational nicht erklärbar ist, so würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten zu verneinen. Nach den Umständen des Falles liegt die Annahme nicht fern, dass die Klägerin nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die "Tauglichkeit" der erbrachten Leistung rational nicht nachweisbar ist.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um zu klären, ob ein solcher Willen der Parteien bestand, aber auch, um die bislang offen gelassene Frage zu beantworten, ob die Vereinbarung der Parteien nach § 138 BGB*** wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass sich viele Personen, die derartige Verträge schließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Menschen handelt. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gestellt werden.
Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 87/10
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 9. Oktober 2009 – 19 O 101/09
Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 8. April 2010 – 7 U 191/09
Karlsruhe, den 13. Januar 2011
* § 326 Abs. 1 Satz 1 (Halbsatz 1) BGB:
Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; (…).
** § 275 Abs. 1 BGB:
Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
*** § 138 BGB:
Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für die Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Samstag, 28. November 2009
Irreführende Werbung für ein Gerät zur sog. „Magnet-Resonanz-Stimulation“
LG Karlsruhe, Urteil vom 21. November 2008, Az. 13 O 55/08 KfH I
MD 2009, 292
Stichwörter: Magnet-Resonanz-Stimulation, Magnetfeld-Therapie
"Indessen hat der Kläger dargelegt und nachgewiesen, dass die Wirksamkeit der Magnet-Resonanz-Therapie in den Fachkreisen zumindest äußerst umstritten ist. Besonders deutlich wird dies in dem von der Stiftung Warentest herausgegebenen Handbuch "Die andere Medizin" (Anlage K 9). Der Beitrag zur "Magnetfeldtherapie" kommt zum Ergebnis, dass nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse schwache Magnetfelder keinen Einfluss auf menschliches Gewebe haben und: "Die Studien zur therapeutischen Wirksamkeit konservativer Magnetfeldbehandlung kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Unter den kontrollierten Untersuchungen sind diejenigen, die eine heilende Wirkung nicht belegen, jedoch weitaus in der Überzahl". Ferner hat die Klägerin durch Vorlage von Stellungnahmen des Prof. Dr. ... glaubhaft gemacht, dass es nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, dass die Magnetfeldtherapie die von der Beklagten in ihren Werbeaussagen behaupteten Wirkungen hat. So führt er in seinem Lehrbuch der Physikalischen Medizin und Rehabilitation aus, dass "bis heute trotz zahlreicher internationaler Bemühungen ungeklärt ist, ob statische oder niederfrequente Magnetfelder in den angewendeten Größenordnungen überhaupt biologische Wirkungen, gleich welcher Art auszulösen vermögen" und weist darauf hin, dass seit 19.02.1992 die Magnetfeldtherapie grundsätzlich zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden gezählt wird und daher nicht mehr in der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung angewendet und abgerechnet werden sollte. Auch in seiner gutachterlichen Stellungnahme für das Landgericht Flensburg vom 17.08.2000 (K 10) kommt ... zum Ergebnis, dass die Magnetfeld-Therapie in der Medizin nicht als allgemein anerkanntes physikalisches Therapieverfahren gilt und nimmt auf das umfangreiche Gutachten Bezug, das 1996 von Prof. Dr. ... in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Köln erstellt wurde und in dem ebenfalls festgestellt wurde, dass eine Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie wissenschaftlich nicht belegt werden kann und dass sie bei den meisten von ihr beanspruchten Anwendungsgebieten keine Wirkung zeigt. Entsprechend skeptisch wird die Magnetfeldtherapie in einem Gutachten des Prof. Dr. ... für das Landgericht Stuttgart (K 13) beurteilt, der ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Wirksamkeit des dort beworbenen Geräts nicht erwiesen sei."
MD 2009, 292
Stichwörter: Magnet-Resonanz-Stimulation, Magnetfeld-Therapie
"Indessen hat der Kläger dargelegt und nachgewiesen, dass die Wirksamkeit der Magnet-Resonanz-Therapie in den Fachkreisen zumindest äußerst umstritten ist. Besonders deutlich wird dies in dem von der Stiftung Warentest herausgegebenen Handbuch "Die andere Medizin" (Anlage K 9). Der Beitrag zur "Magnetfeldtherapie" kommt zum Ergebnis, dass nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse schwache Magnetfelder keinen Einfluss auf menschliches Gewebe haben und: "Die Studien zur therapeutischen Wirksamkeit konservativer Magnetfeldbehandlung kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Unter den kontrollierten Untersuchungen sind diejenigen, die eine heilende Wirkung nicht belegen, jedoch weitaus in der Überzahl". Ferner hat die Klägerin durch Vorlage von Stellungnahmen des Prof. Dr. ... glaubhaft gemacht, dass es nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, dass die Magnetfeldtherapie die von der Beklagten in ihren Werbeaussagen behaupteten Wirkungen hat. So führt er in seinem Lehrbuch der Physikalischen Medizin und Rehabilitation aus, dass "bis heute trotz zahlreicher internationaler Bemühungen ungeklärt ist, ob statische oder niederfrequente Magnetfelder in den angewendeten Größenordnungen überhaupt biologische Wirkungen, gleich welcher Art auszulösen vermögen" und weist darauf hin, dass seit 19.02.1992 die Magnetfeldtherapie grundsätzlich zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden gezählt wird und daher nicht mehr in der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung angewendet und abgerechnet werden sollte. Auch in seiner gutachterlichen Stellungnahme für das Landgericht Flensburg vom 17.08.2000 (K 10) kommt ... zum Ergebnis, dass die Magnetfeld-Therapie in der Medizin nicht als allgemein anerkanntes physikalisches Therapieverfahren gilt und nimmt auf das umfangreiche Gutachten Bezug, das 1996 von Prof. Dr. ... in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Köln erstellt wurde und in dem ebenfalls festgestellt wurde, dass eine Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie wissenschaftlich nicht belegt werden kann und dass sie bei den meisten von ihr beanspruchten Anwendungsgebieten keine Wirkung zeigt. Entsprechend skeptisch wird die Magnetfeldtherapie in einem Gutachten des Prof. Dr. ... für das Landgericht Stuttgart (K 13) beurteilt, der ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Wirksamkeit des dort beworbenen Geräts nicht erwiesen sei."
Irreführende Werbung für ein "Kalkschutzgerät"
LG Regenburg, Urteil vom 30. Januar 2009, Az. 2 HKO 1988/08 (1)
Fundstelle: MD 2009, 401
Stichwörter: Kalkneutralisierer, Anti-Kalksystem, elektronische Kalkumwandlung
"Irreführende Aussagen im Sinne der genannten Vorschriften enthält bzw. enthielt der Internetauftritt der Beklagten in Bezug auf die hier beworbenen Artikel. Die Werbeaussagen beinhalten in sämtlichen Unterpunkten das Versprechen, aufgrund eines von den Geräten erzeugten Magnetfeldes werde der im Leitungswasser mitgeführte Kalk so verändert, dass sich keine festsitzenden Kristalle bilden würden. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die tatsächliche Wirksamkeit dieser Aussage zumindest umstritten ist, ein Nachweis für den Erfolg dieses Verfahrens von wissenschaftlicher Seite nicht erbracht ist. Die Klägerin hat dies mit Testberichten, Studien, Aufsätzen aus Fachzeitschriften und Sachverständigengutachten aus gerichtlichen Verfahren belegt; ihrer Darlegungs- und Beweispflicht für die objektive Richtigkeit dieser wissenschaftlich bestrittenen Behauptung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Von einer irreführenden Werbung im Sinne der §§ 3, 5 UWG ist deshalb auszugehen."
Fundstelle: MD 2009, 401
Stichwörter: Kalkneutralisierer, Anti-Kalksystem, elektronische Kalkumwandlung
"Irreführende Aussagen im Sinne der genannten Vorschriften enthält bzw. enthielt der Internetauftritt der Beklagten in Bezug auf die hier beworbenen Artikel. Die Werbeaussagen beinhalten in sämtlichen Unterpunkten das Versprechen, aufgrund eines von den Geräten erzeugten Magnetfeldes werde der im Leitungswasser mitgeführte Kalk so verändert, dass sich keine festsitzenden Kristalle bilden würden. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die tatsächliche Wirksamkeit dieser Aussage zumindest umstritten ist, ein Nachweis für den Erfolg dieses Verfahrens von wissenschaftlicher Seite nicht erbracht ist. Die Klägerin hat dies mit Testberichten, Studien, Aufsätzen aus Fachzeitschriften und Sachverständigengutachten aus gerichtlichen Verfahren belegt; ihrer Darlegungs- und Beweispflicht für die objektive Richtigkeit dieser wissenschaftlich bestrittenen Behauptung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Von einer irreführenden Werbung im Sinne der §§ 3, 5 UWG ist deshalb auszugehen."
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